Strategischer Essenzialismus

wird im Sinne einer dekonstruktivistischen Herangehensweise benutzt. Die subalterne Identität erweist sich für Spivak nicht als eine „wahre“  oder gar „natürliche“ Essenz, sondern als fiktional und wirkungsmächtig. Ein subalternes Bewusstsein sei demnach eine „theoretische Fiktion“ mit hohem strategischem Wert, insofern es ermöglicht, die dominante koloniale und national-bürgerliche Geschichtsschreibung einer fundamentalen Kritik zu unterziehen.

(vgl. Castro Varela, Maria do Mar/Dhawan, Nikita: Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. Bielefeld: transcript 2005, S.69-77)

Repräsentation

Konzept, bei dem Spivak erneut auf Marx zurückgreift  und eine doppelte Bedeutung für Repräsentation herausstellt: „darstellen“ (als ästhetisches Porträt)  und „vertreten“ (durch einen politisch Bevollmächtigten). Für Spivak spitzt sich dies zu in einem Verständnis von Darstellung als „ein Sprechen von“ und von Vertretung als „ein Sprechen für“. Die Figur des kritischen westlichen Intellektuellen wird in Spivaks Essay repräsentiert von den Poststrukturalisten Foucault und Deleuze. Durch die Privilegierung  lokaler Konflikte und mikropolitischen Formen des Widerstandes geraten den Poststrukturalisten die globalen Zusammenhänge aus dem Blick. Die Nichtanerkennung ideologietheoretischer Annahmen verleitet zu einer Perspektive, welche die Marginalisierten als klassisch-humanistische Subjekte konstruiert, die widerständig und ihrer Lage voll bewusst sind. So meint Foucault, die Massen seien in der Lage für sich selbst zu sprechen und bräuchten den Intellektuellen nicht. Die Intellektuellen selber sind Teil bestehender Machtkonfigurationen, die sie zu einem Objekt und Instrument derselben transformieren.

(vgl. Castro Varela, Maria do Mar/Dhawan, Nikita: Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. Bielefeld: transcript 2005, S.69-77)

Subalterne

wurde als Konzept von Indian Subaltern Studies Group aus Gramscis Gefängnishefte entliehen, wo die „Subalterne“ ursprünglich als diejenigen beschrieben sind, die keiner hegemonialen Klasse angehören, die politisch unorganisiert sind und über kein allgemeines Klassenbewusstsein verfügen. Die Subaltern Studies Group überträgt dies auf die vernachlässigte ländliche Bevölkerung in Indien.

Für Spivak sind die Subalternen vor allem die marginalisierten sozialen Gruppen, die auf sozialen Skala noch tiefer verortet werden und damit aus der Geschichtsschreibung (sowohl der Kolonisierer als auch der Kolonisierten) praktisch herausfallen. Der Fokus ihrer Analyse liegt dabei auf der Subjektposition der weibliche Subalternen, die nach Spivak von einer doppelten Marginalisierung gekennzeichnet ist (ökonomisch und geschlechtlich) durch ein koloniales und einheimisches Patriarchat, in dem Frauen gefangen sind. Anhand der Tradition der Witwenverbrennung stellt Spivak fest, dass die indischen Frauen stets durch eine männliche Seite repräsentiert werden: einerseits von eigenen Männern und anderseits von den britischen Kolonisten. Die Subalterne (Frauen) erscheint als Objekt ohne Stimme. “The subaltern cannot speak”: heißt nicht, dass die “subalterne Frau” nicht sprechen könne, sondern sie zielt vielmehr ab auf die Verhinderung dieses Sprechens durch die Wissensproduktion des Intellektuellen.

(vgl. Castro Varela, Maria do Mar/Dhawan, Nikita: Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. Bielefeld: transcript 2005, S.69-77 sowie

Spivak: „Can the subaltern speak?“ In: Ashcroft, Bill/Griffiths, Gareth/Tiffin, Helen (Hg.): The post-colonial studies reader. London/New York: Routledge 1995, S. 24-28


Übersetzung und Mimikry

Übersetzung (engl. translation): Die Übertragung von Bedeutungen und Werten z.B. in eine fremde Kultur. Übersetzung kann zum Beispiel passieren indem man das Fremde nachahmt (siehe auch Mimikry) und dies gleichzeitig interpretiert.

„Im Prozeß der Übersetzung wird ein weiterer politischer und kultureller Kampfplatz im Zentrum der kolonialen Repräsentation selbst aufgeschlossen. [...] Das unberechenbare kolonisierte Subjekt – halb fügsam, halb widerspenstig, aber nie vertrauenswürdig – schafft für die Zielrichtung der kolonialen kulturellen Autorität ein unlösbares Problem kultureller Differenz.“ (Bhabha 2000: 51)

 

Mimikry: Nachahmung, bzw. Spiegelung des Anderen. Jedoch niemals eine perfekte Nachahmung  (denn dann würde man das Andere nicht mehr nachahmen, sondern wäre bereits assimiliert, d.h. zum Anderen geworden), sondern eine Spiegelung mit einer Markierung, d.h. einem verfremdenden Element der eigenen Identität. Mimikry ist performativ, da sie immer eine neue Aushandlung von des gespiegelten Objektes und der Identität des Spiegelnden herausfordert.

„Unter dem Schutz der Tarnung ist die Mimikry [...] ein Teil-Objekt, das die normativen Systeme des Wissens über die Priorität von Rasse, Schreiben, Geschichte radikal umwertet.“ (Bhabha 2000: 134)

Bhabha, Homi K. (2000): Die Verortung der Kultur. Tübingen: Stauffenburg.

Dritter Raum

Raum (engl. space): Ein Erfahrungsbereich. Der dritte Raum (third space) entsteht im Spannungsfeld zwischen Identität und Differenz und beschreibt das Bild eines Ortes an dem sich Differenzen ohne Hierarchisierung treffen, die Grundvoraussetzung für Hybridisierung

„Das Treppenhaus als Schwellenraum zwischen den Identitätsbestimmungen wird zum Prozeß symbolischer Interaktion, zum Verbindungsgefüge, das den Unterschied zwischen Oben und Unten, Schwarz und Weiß konstituiert. Das Hin und Her des Treppenhauses, die Bewegung und der Übergang in der Zeit, die es gestattet, verhindern, daß sich Identitäten an seinem oberen und unteren Ende zu ursprünglichen Polaritäten festsetzen. Dieser zwischenräumliche Übergang zwischen festen Identifikationen eröffnet die Möglichkeit einer kulturellen Hybridität, in der es einen Platz für Differenz ohne eine übernommene Hierarchie gibt“ (Bhabha 2000: 5)

Bhabha, Homi K. (2000): Die Verortung der Kultur. Tübingen: Stauffenburg.


Hybridität

Hybridität: Resultat der Hybridisierung. Eine „Mischform“ der eigenen und der fremden Identität, die dabei über diese beiden hinausgeht.

„Hybridität hat keine derartige Perspektive von Tiefe oder Wahrheit zu bieten: sie ist kein dritter Begriff, der die Spannung zwischen zwei Kulturen oder die beiden Szenen des Buches in einem dialektischen Spiel der „Erkenntnis“ auflöst.“ (Bhabha 2000: 168)

„Hybridität ist der Name für diese De-plazierung des Wertes vom Symbol zum Zeichen, die zur Aufspaltung des dominanten Diskurses entlang der Achse seines Vermögens führt, repräsentativ, autoritativ zu sein.“ (Bhabha 2000: 168)

 Hybridisierung: Der Prozess der Neubildung von Identitäten durch Aushandlung.

Bhabha, Homi K. (2000): Die Verortung der Kultur. Tübingen: Stauffenburg.


Kultur

Die kontinuierliche und niemals abgeschlossene Produktion von Bedeutungen und Werten, beziehungsweise deren ständige Aushandlung innerhalb einer Gruppe.

„Kulturen sind niemals in sich einheitlich, und sie sind auch nie einfach dualistisch in ihrer Beziehung des Selbst zum Anderen. [...] Daß ein kultureller Text oder ein kulturelles Bedeutungssystem sich nicht selbst genügen kann, liegt daran, daß der Akt des kulturellen Ausdrucks – der Ort der Äußerung – von der différance des Schreibens überkreuzt wird. [...] es geht hier also nicht um den Inhalt des Symbols oder seine soziale Funktion, sondern um die Struktur der Symbolisierung.“ (Bhabha 2000: 54)

Bhabha, Homi K. (2000): Die Verortung der Kultur. Tübingen: Stauffenburg.

 

Gedächtnis und Geschichte

 

Gedächtnis

Geschichte

- das Leben; von lebendigen Gruppen getragen; ständig in Entwicklung; der Dialektik des Erinnerns und Vergessens offen; weiß nicht um die Abfolge seiner Deformationen; für alle möglichen Verwendungen und Manipulationen anfällig; zu langen Schlummerzeiten und plötzlichem Wiederaufleben fähig.

- die stets problematische und unvollständige Rekonstruktion dessen, was nicht mehr ist.

- ein stets aktuelles Phänomen, eine in ewiger Gegenwart erlebte Bindung

- Repräsentation der Vergangenheit

- affektiv und magisch: behält so nur die Einzelheiten, die es bestärken; ist zu allen Übertragungen, Ausblendungen, Schnitten oder Projektionen fähig

- intellektuelle und verweltlichte Operation; fordert Analyse und kritische Argumentation

- rückt die Erinnerung ins Sakrale

- vertreibt die Erinnerung aus dem Sakralen, Entzauberung

- entwächst einer Gruppe und stiftet deren Zusammenhalt; von Natur aus auf Vermehrung und Vervielfachung angelegt; kollektiv und individualisiert

- zum Universalen berufen

- haftet am Konkreten, im Raum, an der Geste, am Bild, am Gegenstand

- befasst sich nur mit zeitlichen Kontinuitäten, mit den Entwicklungen und den Beziehungen der Dinge

- ist ein Absolutes

- kennt nur das Relative

 

- Entlegitimierung der gelebten Vergangenheit; Entsakralisierung

 Ende der Gedächtnisgesellschaften und der Gedächtnisideologien.

 Ende der Gleichsetzung von Geschichte und Gedächtnis

 Ursachen für den Zusammenbruch unseres Gedächtnisses: Demokratisierung und Vermassung; jedes Geschehen wird Weltgeschehen und Medienereignis.

 Gedächtnisorte: „Es gibt lieux de mémoire, weil es keine milieux de mémoire mehr gibt.“

  • Die Geschichte verurteilt unsere Gesellschaft zum Vergessen; Geschichte ist das, was unsere Gesellschaften aus der Vergangenheit gemacht haben.
  • Das echte, soziale, unberührte Gedächtnis ist ein Gedächtnis ohne Vergangenheit, besorgt ewig die Überlieferung.
-Quelle: Nora, Pierre: Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Berlin: Wagenbach 1990

Geschichte und Gedächtnis


Kollektives Gedächtnis

Geschichte

- Solange die Erinnerung fortbesteht, braucht sie keine Niederniederschrift

- Was aus dem Gedächtnis verschwindet, keine aktuelle Bedeutung mehr hat,wird Geschichte

- Sitz der Traditionen

- Bild des Ereignisses, des Wandels

- lebendiges Gedächtnis

- tote, neutralisierte Geschichte

 

 

 

 

  •  Mit der Erinnerung hängt das Vergessen zusammen, dass Halbwachs ebenfalls als ein soziales Phänomen definiert. Seiner Auffassung nach tritt das Vergessen dann ein, wenn die völlige Veränderung der Lebensbedingungen einen Wechsel der Rahmen bewirkt.

Quelle: Halbwachs, Maurice: Das kollektive Gedächtnis. Stuttgart: Enke Verlag 1967

Kollektives und individuelles Gedächtnis


Kollektives Gedächtnis

Individuelles Gedächtnis

- Erinnerungen, die wir jederzeit wachrufen können

- Erinnerungen, die uns schwer zugänglich sind

- Erinnerungen gehören der Allgemeinheit an

- die Erinnerungen, die uns am schwersten zugänglich sind, sind jene, die nur uns angehen, stellen unser ausschließliches Eigentum dar

- die Erinnerungen, die uns am gegenwärtigsten sind, haben auch das Gedächtnis der uns eng verbundenen Gruppen gekennzeichnet

- vollkommen abhängig von der Teilhabe an kommunikativen Prozessen

- Weil wir uns auf das Gedächtnis der anderen stützen können, sind wir jederzeit fähig, sie zurückzurufen

 

 

  • Erinnerung ist kein rein individuelles Phänomen, sondern sozial bedingt.
  • Gruppen erzeugen und vermitteln durch Kommunikation und Interaktion ein kollektives Gedächtnis, an dem der Einzelne durch Rückgriff auf „soziale Rahmen“ teilhat.
  • Kollektives Gedächtnis: Vorstellungen Einzelner, die einem bestimmten Kollektiv angehören und daher ähnliche Formen des Erinnerns aufweisen.
  • Grundzug des Gedächtnisses: Konstruktion von (gemeinsamer) Erinnerung
  • Fallen die Kommunikationsgemeinschaften weg, verschwinden auch die Erinnerungen

Quelle: Halbwachs, Maurice: Das kollektive Gedächtnis. Stuttgart: Enke Verlag 1967

"Black Skin, White Masks" - Rassismus, koloniales Subjekt, der Blick und Geschichte bei Frantz Fanon

In seinem Buch „Schwarze Haut, Weiße Masken“ von 1952 thematisiert Frantz Fanon mit der Leidenschaft eines Betroffenen das bis heute andauernde Problem des Rassismus. Als Psychiater richtete er sein Fokus auf das koloniale Subjekt und dessen Wahrnehmungen als Unterdrückter in den kolonialen, und in späteren Werken, in postkolonialen Verhältnissen. Gleichzeitig setzt Fanon sich stark mit der Identität eines Schwarzen auseinander, der auf der Suche nach einer Identität ist, die aber gleichzeitig ein Produkt des kolonialen und „weißen“ Bildungssystems ist.

Fanons Theorie über „Schwarze Haut, Weiße Masken“ basiert stark auf Jean-Paul Sartres Existentialismus und auf seinem Alteritätskonzept. Laut Sartre benötigt das Ich immer einen Anderen, um sich seine Position in der Welt zu bestimmen und in seiner Existenz zu bestätigen. Laut Sartre fungieren das Ich und der Andere als Spiegelbilder füreinander und sind angewiesen auf den Blick des Anderen, durch den die Position in der Welt bestimmt werden kann.

Sartre folgend stellt Fanon einen Schwarzen und einen Weißen gegenüber. Diese Gegenüberstellung und nicht vorhandene Gleichberechtigung innerhalb dieser Gegenüberstellung bezeichnet Fanon als Teufelskreis. Der Weiße wird natürlich von dem Schwarzen anerkannt, da der Weiße es bestimmen kann, was anerkannt werden sollte. Dagegen wird der Schwarze nicht von dem Weißen als gleichwertiger Mensch anerkannt; bzw. wird der Schwarze vom Weißen gar nicht gesehen. So fehlt dem Schwarzen die Positionierungsmöglichkeit in der Gesellschaft. Um sich in der Gesellschaft sichtbar zu machen und um Anerkennung zu erlangen, ist der Schwarze gezwungen, sich eine weiße Maske sich aufzusetzen. Die weiße Maske kommt unter anderen zur Geltung wenn es um die Sprache geht. Um in der Gesellschaft anerkannt zu werden, sogar in der eigenen, muss der Schwarze Französisch sprechen und Kreol oder Pidgin vermeiden. (Fanon bezieht sich hier auf die Situation auf den Antillen.)

Fanon behauptet, dass der Schwarze Mann eine Kreation der Weißen ist. Diese Kreation ernährt sich von Mythen und Stereotypen. Dabei spielt die Sexualität eine große Rolle.

Fanon strebt mit seinem Buch ebenfalls nach der Befreiung des schwarzen Mannes. „Das koloniale Ding sollte zum Mensch werden“, wie seine spätere Schriftsammlung heißt. Fanon betont, dass sich der schwarze Mann in erster Linien selbst befreien muss. Fanon schreibt die Last der Schwarzen ist, dass sie einst Sklaven waren. Der Schwarze muss realisieren, dass er keine Konstruktion dieser Geschichte sein muss, sondern, dass er auch sein eigenes Fundament kreieren kann. Oder, wie er schreibt: „I am not a slave to slavery that dehumanized my ancestors.” (Frantz Fanon, Black Skin, White Masks, 2008, S.205.)

Nach Fanon hat die Gegenüberstellung des Weißen und des Schwarzen einen massiven psycho-existentialen Komplex zur Folge. Fanon glaubt, dass nur durch die Analyse dieser Gegenüberstellung diese Binarität abgeschafft werden kann. Dadurch hofft er, dass die Jahrhunderte des Unverständnis und des Unwissens gebrochen werden könnten. Diese Analyse dient ebenfalls dazu, einen Weg aus dem Teufelskreis des Rassismus zu finden. In Anlehnung an Nietzsche stellt Fanon fest, dass die Last der Menschen ist, dass sie in ihrer Kindheit Einflüssen ausgesetzt waren, die sie noch nicht verarbeiten konnten. Aus Kinder werden Erwachsenen, die dann Träger der Geschichte ihrer Vorfahren sind. Aufgrund dessen ruft Fanon die Menschen, auf der letzten Seite seines Buches, zur Rekonstruktion der Gesellschaft und zur Entfernung von inhumanen Stimmen der Vorfahren auf, damit eine echte Kommunikation geboren werden kann. Each must move away from the inhuman voices of their respective ancestors so that a genuine communication can be born.“ (Frantz Fanon, Black Skin, White Masks, 2008, S.206.)

Kontrapunktische Lektüre

Edward W. Saids Methode der kontrapunktischen Lektüre suggeriert, in kanonischer Literatur die Mehrstimmigkeit bzw. die Gegenstimmen aufzuspüren. Indem er Kolonialromane der kontrapunktischen Lektüre unterzieht, stellt er eine Gegenperspektive heraus, die in eben dem selben Roman eine andere Geschichte sichtbar macht.



 

Orientalismus

Edward W. Saids Theorie des Orientalismus bezeichnet jene Sichtweise des ‚Westens’ auf ‚den Orient’, durch die dieser erst im Diskurs entsteht. Seiner Ansicht nach hat es ‚den Orient’, wie er in z.B. Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts dargestellt wird, nie gegeben. Er ist ein diskursives Produkt der Phantasie des Westens (Europas). Er ist Ort von Romantisierungen, Traumvorstellungen, Flucht aus der eigenen bürgerlichen Realität und eine Projektionsfläche für Fremdzuschreibungen.

 

Imperialismus/ Kulturimperialismus nach Edward W. Said

Unter Kulturimperialismus versteht sich bei Said die Ausweitung der kolonialen Einflusssphäre des Westens auf die kolonisierten Regionen; neben wirtschaftlicher und politischer Macht verzeichnet Said außerdem die kulturelle Vormachtstellung als Erzeugnis des Kolonialismus. Dies beinhaltet u.a. die Definitions- und normative Macht, über die die Kolonialmächte verfügen. Verharrt man in dieser Machtkonstellation, so legitimiert man das Gefüge von Subjekt und Objekt in Bezug auf Kolonisierte und Kolonisatoren bis auf weiteres.

Kulturbegriff nach Edward W. Said

Saids Theorie wendet sich gegen den essentialistischen Kulturbegriff des 19. Jahrhunderts, der Kulturen als in sich geschlossene Einheiten versteht. Sein Verständnis von Kultur geht vielmehr dahin, Kulturen im ständigen Austausch zu begreifen, was beinhaltet, die Hierarchien abzubauen, die eine Kultur über eine andere stellen. Gleichzeitig stellt er die Machtgefüge in Form von ideologischen und politischen Bestrebungen heraus, die einem Kulturgefühl zugrunde liegen.

In Bezug auf den Kolonialismus wendet sich sein Kulturbegriff hin zu einer synthetisierenden Ansicht von gemeinsamem kulturellem Erbe von Kolonisierten und Kolonisatoren.

Zitate:

„[…] bedeutet das Wort "Kultur" insbesondere zweierlei. Erstens meins es jene Praktiken der Beschreibung, Kommunikation und Repräsentation, die relative Autonomie gegenüber dem ökonomischen, sozialen und politischen Sektor genießen und sich häufig in ästhetische Formen kleiden, die u.a. Vergnügen bereiten […]. Zweitens bezeichnet Kultur - und auf beinahe unmerkliche Weise - ein Konzept der Verfeinerung und der Erhebung, das Reservoir jeder Gesellschaft "an Bestem", was je erkannt und gedacht worden ist […]. In diesem zweiten Sinne ist Kultur eine Art Theater, bei dem verschiedenartige politische und ideologische Kräfte ineinandergreifen: kein stiller Bereich apollinischer Vornehmheit, sondern bisweilen geradezu ein Schlachtfeld, auf dem Faktoren gegeneinander wirken […].“ (Said 1994, S. 14–16)

„Kultur in diesem Sinne ist eine Quelle der Identität, übrigens eine ziemlich heftige, wie wir an neueren Beispielen der "Rückkehr" zu Kultur und Tradition beobachten können.“ (Said 1994, S. 15–16)

„[…] Kultur nicht als aseptische Sphäre, abgeschottet gegen alle Berührung mit der Welt, sondern als ein außerordentlich variables Feld von Bestrebungen zu begreifen.“ (Said 1994, S. 17)

„Kultur und die ästhetischen Imaginationen, die sie birgt, wurzeln in der Geschichtserfahrung, die in der Tat eines der Hauptthemen dieses Buches ist.“ (Said 1994, S. 26–27)

„Alle Kulturen sind, zum Teil aufgrund ihres Herrschaftscharakters, ineinander verstrickt; keine ist vereinzelt und rein, alles sind hybrid, heterogen, hochdifferenziert und nichtmonolithisch.“ (Said 1994, S. 30)

Quelle: Said, Edward W. (1994): Kultur und Imperialismus. Einbildungskraft und Politik im Zeitalter der Macht. Frankfurt am Main: S. Fischer.



Das "Für-den-Anderen"

Das „Für-den-Anderen“: Die Beziehung zwischen dem Ich und dem Anderen ist laut Lévinas eine asymmetrische, in der das Ich passiv ist und den Anderen empfängt, bzw. seine Nähe zu ihm ausdrückt. Doch diese Einstellung geht darüber hinaus und mündet in das „Vom-Anderen-Eingenommen-sein“, indem das Ich sich in den Dienst des Anderen stellt. Das Ich ist verantwortlich für ihn und bürgt für ihn bis ans Äußerste. Somit ist  die Verantwortung des Ich für den Anderen grenzenlos. Das Ich hat immer ein Mehr an Verantwortlichkeit als alle anderen. Diese Verantwortlichkeit ist nicht übertragbar, niemand könnte das Ich ersetzen. Die Verantwortlichkeit ist das, was ausschließlich dem Ich obliegt und was das Ich menschlicher Weise nicht ablehnen kann.

Lévinas, Emmanuel: „Das Antlitz“. In: Ders.: Ethik und Unendliches. Gespräche mit Philippe Nemo. Wien: Passagen 1996 [1982], S. 63-70

Lévinas, Emmanuel: „Die Verantwortung für den Anderen“. In: Ders.: Ethik und Unendliches. Gespräche mit Philippe Nemo. Wien: Passagen 1996 [1982], S. 71-77


Der Andere

Der Andere: Laut Lévinas kann man den Anderen nicht beschreiben, da die Beschreibung einer Person, die von der äußeren Erscheinung, der Herkunft, der Religion, den Verhältnissen usw. ausgeht, eine Person behandelt wie einen Text, der durch seinen Kontext gedeutet wird. Der Andere aber ist ureigen und unverwechselbar und hat eine ihm zustehende Bedeutung, weshalb man ihn nicht auf äußere Umstände reduzieren kann. Der Andere erscheint in einer absoluten, unendlichen Andersheit, die das Ich nie vollkommen verstehen wird, da das bedeuten würde, ihn in seiner Andersheit zu zerstören.

Lévinas, Emmanuel: „Das Antlitz“. In: Ders.: Ethik und Unendliches. Gespräche mit Philippe Nemo. Wien: Passagen 1996 [1982], S. 63-70

Lévinas, Emmanuel: „Die Verantwortung für den Anderen“. In: Ders.: Ethik und Unendliches. Gespräche mit Philippe Nemo. Wien: Passagen 1996 [1982], S. 71-77

Das Antlitz

Das Antlitz: Die äußere Erscheinung des Anderen beschreibt Lévinas als eine plastische, stumme Form, die durch den Anderen durchstoßen wird, so dass sein Antlitz sichtbar wird. Eben durch dieses Erscheinen, nicht durch Worte, spricht das Antlitz. Das Antlitz ist ganz klar vom Gesicht als solchem zu unterscheiden. Wenn Lévinas vom Antlitz spricht, so heißt das nicht etwa, dass das Ich darin den wahren Menschen, den wahren Anderen erkennen kann. Im Gegenteil verhindert das Antlitz, dass ich den Anderen dahinter erkennen und begreifen kann.
Durch die Erscheinung des Antlitzes enthüllt sich auch die Abstraktheit des Anderen, die Lévinas als „Nacktheit“ bezeichnet. Diese verbindet er insofern mit dem Antlitz, als die Haut des Gesichts diejenige ist, die immer zur Schau gestellt ist und dadurch ohne jeglichen Schutz ist. In dieser Not fleht das Antlitz das Ich an und steht stellvertretend für die Not aller Menschen. Das Antlitz des Anderen bezeugt somit einen ethischen Anspruch, der zu unbedingter Verantwortung, ein zentrales Konzept bei Lévinas, für ihn und sein Leben verpflichtet.

Lévinas, Emmanuel: „Das Antlitz“. In: Ders.: Ethik und Unendliches. Gespräche mit Philippe Nemo. Wien: Passagen 1996 [1982], S. 63-70

Lévinas, Emmanuel: „Die Verantwortung für den Anderen“. In: Ders.: Ethik und Unendliches. Gespräche mit Philippe Nemo. Wien: Passagen 1996 [1982], S. 71-77



Forget Europe! - Ein Interview mit Homi Bhabha

In einem Interview konstatiert Homi Bhabha, dass man eine Vernetzung kulturwissenschaftlicher Journale nicht im Kontext Europas verorten sollte. Zu finden unter:

http://www.eurozine.com/articles/2008-12-30-bhabha-en.html

Tod von Samuel P. Huntington

Eine hilfreiche Feuilletonschau zum Tod Samuel P. Huntingtons am 24.12.2008 findet sich hier:

http://www.perlentaucher.de/feuilletons/2008-12-29.html